Regulation von Allergenprodukten: Fortschritte in der europäischen Harmonisierung
Regulation von Allergenprodukten: Fortschritte in der europäischen Harmonisierung
Ein einheitliches regulatorisches Vorgehen unterstützt die Verfügbarkeit von wirksamen und sicheren Diagnostika und Therapeutika in allen europäischen Mitgliedstaaten und verbessert somit die Behandlung von Allergikerinnen und Allergikern.
Umsetzung der Leitlinie zur Regulation von Allergenprodukten
Viele EU-Mitgliedstaaten haben bereits begonnen, die im Jahr 2020 vom Zusammenschluss der europäischen Arzneimittelbehörden (Heads of Medicines Agencies, HMA) veröffentlichte Leitlinie zur Regulation von Allergenprodukten (Recommendations on common regulatory approaches for allergen products (CMDh/399/2019)) umzusetzen. Sie gibt Auskunft über die geltenden Rechtsgrundlagen und Anforderungen für die Zulassung unterschiedlicher Allergenprodukte, wobei zwischen Therapieallergenen und Testallergenen und weiter zwischen Diagnostika zum Nachweis von Typ I- und Typ IV-Allergien sowie häufigen und seltenen Allergenquellen differenziert wird. Die Richtlinie und ihre Umsetzung ist ein zentraler Meilenstein auf dem Weg zur europaweiten Harmonisierung der Zulassung und Prüfung von Test- und Therapieallergenen.
Spezifische Leitlinien für Entwicklungsstrategien für Allergenprodukte
Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren deutlich, dass die derzeitigen Anforderungen im Rahmen von Zulassungsverfahren den Marktzugang von Allergenprodukten behindern können, bei denen eine nur geringe Anzahl von Patientinnen und Patienten für die Durchführung klinischer Studien zur Verfügung steht. Daher hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) die Arbeitsgruppe für Rheumatologie und Immunologie (Rheumatology/Immunology Working Party, RIWP) gebeten, spezifische Leitlinien für Entwicklungsstrategien für Allergenprodukte zu erarbeiten, die für die Anwendung bei Allergien mit nur mittelgroßen bis kleinen Studienpopulationen bestimmt sind. Auf der Grundlage eines entsprechenden Konzeptpapiers erarbeitet die Arbeitsgruppe unter Führung des Paul-Ehrlich-Instituts derzeit eine Leitlinie zu allgemeinen Aspekten bei der Entwicklung von Allergenprodukten, für deren Entwicklung nur eine begrenzte Anzahl von Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht. Die Leitlinie wird Auskunft geben über Patientenauswahl, Bewertung der Wirksamkeit, Studiendesign und Sicherheitsaspekte sowie Qualitätsüberlegungen beinhalten. Eine öffentliche Konsultation wird voraussichtlich im 1. Quartal 2024 folgen.
Die Allergie-Expertinnen und -Experten des Paul-Ehrlich-Instituts sind maßgeblich an der Erstellung der Leitlinien beteiligt und setzen sich für die europäische Harmonisierung auf dem Gebiet der Allergenprodukte ein.
Prof. Dr. Vera Mahler (Leiterin der Abteilung Allergologie)
Unterschiedliche Handhabung in Europa
In der Europäischen Union sind gemäß Definition der Richtlinie 2001/83/EG sowohl Test- als auch Therapieallergene Arzneimittel. Nach dieser Richtlinie darf ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in Verkehr gebracht werden, wenn eine Zulassung erteilt wurde. Für die Zulassung muss nach dem jeweils aktuellen Stand des Wissens belegt werden, dass die Arzneimittel eine angemessene Qualität besitzen sowie wirksam und sicher sind. In Deutschland sind die Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG vollständig im Arzneimittelgesetz (AMG) umgesetzt.
Es bestehen Ausnahmen von der o. g. Zulassungspflicht: Nach Artikel 5 Richtlinie 2001/83/EG kann ein Mitgliedstaat in besonderen Bedarfsfällen Arzneimittel von der Zulassungspflicht ausnehmen, die zur Verwendung bei einzelnen Patientinnen und Patienten bestimmt sind (Individualrezepturen). Durch unterschiedliche Anwendung von Artikel 5 Richtlinie 2001/83/EG in unterschiedlichen Mitgliedstaaten erscheint die Regulation von Allergenprodukten in Europa inhomogen. In manchen Ländern wird die Ausnahmeregelung der Individualrezeptur so intensiv genutzt, dass es kaum zugelassene Produkte gibt. Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und die Verfügbarkeit von Allergenprodukten werden dadurch erschwert. Vor diesem Hintergrund sollen neue Leitlinien die Regulation von Allergenprodukten in Europa harmonisieren.