Blutplättchen als Lieferant therapeutischer Proteine im Körper
Blutplättchen als Lieferant therapeutischer Proteine im Körper
Neu entwickelte Technologie macht es möglich, Blutplättchen (Thrombozyten) als Transportvehikel für die Speicherung und gezielte Abgabe therapeutischer Proteine zu nutzen.
Thrombozyten sind Blutplättchen, die im Blut zirkulieren und körnchenförmige Speicher (Granula) enthalten, in denen zahlreiche bioaktive Substanzen vorhanden sind. Diese Substanzen werden nach Aktivierung freigesetzt. Alpha-Granula, die am häufigsten vorkommen, bergen aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften als Transportvehikel ein therapeutisches Potenzial. Alpha-Granula speichern mehr als 300 verschiedene Proteine, wie beispielsweise Botenstoffe des Immunsystems. Die Verwendung von Thrombozyten zur Verabreichung von Arzneimitteln wird bereits erforscht, z. B. zur Therapie von Tumoren oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder zur Gentherapie bei der Bluterkrankheit (Hämophilie). Für die dauerhafte Übertragung therapeutischer Gene auf Körperzellen werden in der Regel sogenannte lentivirale Vektoren verwendet. Lentivirale Vektoren sind von Viren abgeleitete Genfähren, die sich nicht vermehren können. Die therapeutischen Gene enthalten den Bauplan für ein therapeutisches Protein, das nach Gentransfer von den Zellen gebildet wird.
Signale für die gezielte Sortierung
Mit der Nutzung der Thrombozyten als Transportvehikel für therapeutische Proteine sowie ihrer gezielten Freisetzung hat sich die Forschungsgruppe des Paul-Ehrlich-Instituts unter Leitung von Prof. Ute Modlich in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover unter Leitung von Prof. Thomas Moritz befasst. Das Forschungsteam vermutete, dass es möglich sein sollte, die zielgerichtete Beladung der Alpha-Granula dadurch zu erreichen, dass geeignete Sortiersignale an die therapeutischen Genprodukte angeheftet werden, die übertragen werden.
Mit zwei komplexen molekularbiologischen Strategien hat das Forschungsteam lentivirale Vektoren entwickelt, die die genetische Information für transgene Proteine mit solchen Sortiersignalen besitzen. Wie vermutet, gelang so die Speicherung der therapeutischen Proteine in Alpha-Granula von Thrombozyten-Vorläuferzellen von Mensch und Maus in vitro sowie in vivo in Alpha-Granula von Thrombozyten der Maus. Auch ein wichtiges Zytokin, das Interferon-alpha (IFNα), ließ sich so als potenziell antivirales Zytokin erfolgreich in vivo in Thrombozyten der Maus speichern und durch Thrombozytenaktivierung zur Abwehr von Viren freisetzen.
Die neu entwickelten Vektoren eröffnen eine Reihe neuer Anwendungsmöglichkeiten für die Zelltherapie, indem sie Thrombozyten als Träger für therapeutische Proteine nutzbar machen.
Prof. Dr. Dr. Ute Modlich (Stellvertretende Leiterin der Zentralen Tierhaltung und Leiterin des Sachgebiets Genmodifikation in Stammzellen)
Literatur
Woods VMA, Latorre-Rey LJ, Schenk F, Rommel MGE, Moritz T, Modlich U (2022): Targeting transgenic proteins to alpha granules for platelet-directed gene therapy.
Mol Ther Nucleic Acids 27: 774-786.