HIV – Wenn die Tarnkappe fällt: Wie das angeborene Immunsystem Viren früh erkennt
HIV – Wenn die Tarnkappe fällt: Wie das angeborene Immunsystem Viren früh erkennt
Ein Forschungsverbund unter Beteiligung des Paul-Ehrlich-Instituts hat entdeckt, wie das Immunsystem über einen Zwei-Schritt-Mechanismus HIV als fremd erkennt.
Das Humane Immundefizienz-Virus – HIV – gehört zur Familie der Lentiviren und verursacht AIDS, eine langsam fortschreitende Immunschwächekrankheit. Die HIV-Infektion verläuft chronisch, da HIV die immunologischen Abwehrmechanismen umgeht und das Immunsystem die Infektion nicht eliminieren kann.
Doch scheint das Immunsystem grundsätzlich durchaus die Fähigkeit zu besitzen, auch HIV früh zu erkennen, so die Ergebnisse eines Forschungsverbunds unter Beteiligung des Paul-Ehrlich-Instituts. Das HI-Virus ist ein RNA-Virus, d.h. seine genetische Information liegt in Form von RNA (Ribonukleinsäure) in den Viruspartikeln vor. Nach dem Eindringen in eine Zelle wird vom HI-Virus eine DNA (Desoxyribonukleinsäure)-Kopie von seiner RNA gebildet und anschließend in das Genom der infizierten Wirtszelle (Chromosom) integriert. Das in das Chromosom der infizierten Zellen integrierte Virusgenom – das Provirus – wird von den Zellen wie ein normales Zellgen behandelt. Für das zellinterne Wirtsabwehrsystem, das fremde RNA und DNA normalerweise erkennen kann, bleibt das Virusgenom dann unsichtbar.
Zwei-Schritt-Mechanismus macht kleinste Mengen an Fremd-DNA sichtbar
Das Forschungsteam hat einen bisher nicht bekannten Zwei-Schritt-Mechanismus identifiziert, der das Virus "sichtbar" macht. Beim ersten Schritt wird die virale Kapsid-Struktur durch Anbindung des zelleigenen Polyglutamin-Bindungsproteins 1 (PQBP1) markiert. Ein weiteres Zellprotein, die "zyklische GMP-AMP-Synthase", bindet den bestehenden Komplex und erkennt im zweiten Schritt die virale Nukleinsäure, sobald innerhalb des Kapsids der Umbau der RNA in DNA initiiert wurde. Die Erkennung zweier viraler Komponenten, der viralen Proteinstruktur und des Virusgenoms, sorgen dafür, dass die darauffolgende Aktivierung des Immunsystems nicht spontan durch nur eine Komponente erfolgt und dadurch versehentlich körpereigene Strukturen angegriffen werden, die nicht infiziert sind. Kommt es nach dieser doppelten Erkennung zur Aktivierung, wird eine starke und zielgerichtete Entzündungsreaktion vermittelt.
Neues Wissen über die angeborene zelluläre Erkennung von Pathogenen
Die Studie veranschaulicht, wie Sensoren in den Zellen über zusätzliche Faktoren und Kontrollmechanismen auch auf kleinste Mengen oder kurzzeitig verfügbare Muster ("pathogen-associated molecular patterns", PAMPs) in Erregern gelenkt werden können. Mit diesem generellen Konzept könnten möglicherweise auch andere Pathogene sehr spezifisch und effizient erkannt werden.
Wir haben einen Mechanismus entdeckt, der sich möglicherweise nutzen lässt, um immunologische Schutzmechanismen gegen HIV zu verstärken.
Dr. Renate König (Leiterin der Forschungsgruppe "Zelluläre Aspekte von Pathogen-Wirt-Interaktionen")
Literatur
Yoh SM, Mamede JI, Lau D, Ahn N, Sánchez-Aparicio MT, Temple J, Tuckwell A, Fuchs NV, Cianci GC, Riva L, Curry H, Yin X, Gambut S, Simons LM, Hultquist JF, König R, Xiong Y, García-Sastre A, Böcking T, Hope TJ, Chanda SK (2022): Recognition of HIV-1 capsid by PQBP1 licenses an innate immune sensing of nascent HIV-1 DNA.
Mol Cell 82: 2871-2884.e6.